ADHS – eine Modeerscheinung?
Hat heutzutage eigentlich jedes Kind ADHS?
Gefühlt schon – zumindest, wenn man sich so umhört. In Kitas, Schulen oder auf Spielplätzen scheinen die „Zappelphilippe“ überall zu sein. Auch Erwachsene entdecken plötzlich „eigene Baustellen“, die vorher keinen Namen hatten. Und tatsächlich ist die Zahl der ADHS-Diagnosen in den letzten Jahren gestiegen.
Aber woran liegt das?
Gibt es wirklich mehr betroffene Kinder?
Oder wird einfach genauer hingeschaut als früher?
Hat der berühmte „Zappelphilipp“ einfach nur endlich einen medizinischen Namen bekommen?
Ich bin keine Ärztin und keine Psychologin – und will und kann die Diagnosen auch nicht bewerten.
Aber ich habe in meiner Arbeit als Lerncoach und Reflexintegrationstrainerin eine andere Brille auf: die der frühkindlichen Reflexe.
Reflexe statt reine „Unlust“
Wenn ich durch diese Brille schaue, sehe ich:
Unsere heutige Lebensweise ist nicht gerade förderlich für eine gesunde neuronale Reifung.
- Weniger natürliche Bewegung
- Mehr Bildschirmzeit
- Mehr verarbeitete Lebensmittel
- Weniger sinnvolle Reize
All das kann dazu führen, dass frühkindliche Reflexe nicht vollständig integriert werden – und das wirkt sich direkt auf die Entwicklung des Gehirns aus.
Ein Beispiel: Der Moro-Reflex.
Wenn dieser aktiv bleibt, ist das Kind ständig in Alarmbereitschaft. Es ist, als würden die Sinne auf Dauerscan laufen – jedes Geräusch, jede Bewegung, jeder Reiz wird aufgenommen. Da fällt es schwer, bei einer Aufgabe zu bleiben oder sich zu fokussieren.
Und was nach „hyperaktivem Verhalten“ aussieht, kann aus Sicht der Reflexintegration auch bedeuten:
Es fehlt schlicht die neurologische Reife, bestimmte Bewegungen zu hemmen oder Impulse zu kontrollieren.
Nicht frech – nur überfordert
Kinder mit einem aktiven Moro-Reflex, Spinalen Galant oder ATNR zeigen oft genau das, was man als „typisch ADHS“ kennt:
- Schwierigkeiten beim Sitzenbleiben
- Große Ablenkbarkeit
- Emotionale Ausbrüche
- Geringe Frustrationstoleranz
- „Kurze Zündschnur“
Aber aus reflexintegrativer Sicht steckt oft eine tiefe innere Unsicherheit dahinter – das Nervensystem ist dauerhaft in Alarmbereitschaft. Je nach angeborenem Stressmuster reagieren Kinder dann mit Rückzug, Schreien oder auch Aggression, um ihren Gefühlen irgendwie Ausdruck zu verleihen.
Und nun?
Ob ADHS eine Modeerscheinung ist? Nein – ich glaube, es ist eher ein Sammelbegriff für viele Symptome, die durch unterschiedliche Ursachen entstehen können.
Was aber definitiv in Mode kommen sollte:
Ein genauerer Blick. Ein Perspektivwechsel. Und die Bereitschaft, tiefer zu schauen als bis zum Etikett.
Denn manchmal ist das Problem nicht der Wille des Kindes – sondern die Reife seines Nervensystems.